Museumserweiterung: JA oder NEIN?

Am Freitag entscheidet der Neusser Stadtrat über die Annahme einer Kunstschenkung und über die Erweiterung des Clemens-Sels-Museums, die bis zu 20 Millionen Euro kosten soll. Diese Entscheidung ist sicher eine der wichtigsten des Jahres. Die Fraktionen haben die Abstimmung frei gegeben, sodass jedes Ratsmitglied nach seiner eigenen Überzeugung abstimmen kann. Jeder Einzelne ist also gefordert, Argumente abzuwägen und sich eine Meinung zu bilden. [Anmerkung: Diese Einleitung ist von Dezember, die Entscheidung wurde auf April vertagt.]

Mit einer kleinen Zusammenstellung von Argumenten lade ich alle ein, es mir gleich zu tun und sich eine Meinung zu bilden.

Worum geht es genau?

Ein Kunstsammler hat der Stadt Neuss eine Sammlung mit insgesamt mehr als 600 Gemälden, Möbeln und kunstgewerblichen Objekten aus dem Jugendstil und dem Symbolismus als Schenkung angeboten. Diese Sammlung ist nach Expertenmeinungen in Umfang und Qualität einmalig und hat einen Wert von ca. 35 Millionen Euro.

Bedingung dafür ist jedoch, dass die Stadt einen Anbau des Clemens-Sels-Museum errichtet, in dem die Ausstellung dauerhaft ausgestellt wird. Dafür sind drei Varianten im Gespräch:

  • Modell A: 1.200 m2 Ausstellungsfläche für die Sammlung, Kosten rund 11,1 Millionen Euro,
  • Modell B: zusätzlich 800 m2 für Wechselausstellungen, Kosten rund 16,3 Millionen Euro,
  • Modell C: zusätzlich 1.000 m2 für die Sammlung des CSM, Kosten rund 20,2 Millionen Euro.

Was spricht für oder gegen die Annahme der Schenkung und/oder die Erweiterung des Museums?

Diese Kunstsammlung hat einen hohen künstlerischen und auch wirtschaftlichen Wert. In Europa, vielleicht sogar in der ganzen Welt findet man so etwas kein zweites Mal. Die Stadt Neuss muss zugreifen!
Außerdem passt die Sammlung auch hervorragend zur künstlerischen Ausrichtung des Clemens-Sels-Museum und zum Grundsatz der Neusser Kulturpolitik, sich auf bestimmte künstlerische Nischen zu konzentrieren.Die Erweiterung des Museums (Modell B oder C) ist eine große Chance für die Stadt. Dadurch werden Wechselausstellungen möglich. Und die bisherige Sammlung, vor allem die Exponate zur Stadtgeschichte, kann besser präsentiert werden. Auch vieles, was bisher im Depot lagert, kann in Zukunft ausgestellt werden.Dadurch kommen drei- bis viermal so viele Besucher ins Clemens-Sels-Museum wie bisher. Die Besucher zahlen Eintritt und kaufen etwas im Museumsshop. Sie gehen vielleicht auch noch in der City einkaufen. Und sie essen und trinken etwas in Neusser Gaststätten oder übernachten sogar in Neusser Hotels. Das bringt der Stadt Mehreinnahmen. 

Niemand soll sich von den hohen Investitionskosten abschrecken lassen, sondern einmal ausrechnen, wie hoch die jährlichen Kosten sein werden: je nach Modell belaufen sie sich auf rund 780.000 bis 1,4 Millionen Euro. Das sind 0,16 bzw. 0,3 Prozent des gesamten städtischen Haushalts. Der gesamte Kulturetat würde sich auch nur um 3,4 bis 3,6 Prozent erhöhen.

 

 

 

Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen. Für die Schulen gibt die Stadt jedes Jahr mehr als 40 Millionen Euro aus, für Kitas mehr als 27 Millionen, der Sport wird jährlich mit mehr als 6 Millionen Euro gefördert. Dagegen ist ein Betrag von maximal 1,5 Millionen für den Museumsanbau und insgesamt maximal 16,4 Millionen für alle Kultureinrichtungen in Neuss gar nicht so viel.

Außerdem hat die „öffentliche Hand“ eine Verantwortung dafür, dass Kulturgüter erhalten bleiben.

In Neuss wurden schon viele große kulturpolitische Entscheidungen getroffen, die umstritten waren, aber sich später als gut erwiesen haben, zum Beispiel der Kauf des Globe-Theaters, der Umbau des Horten-Hauses für das Rheinische Landestheater oder die Einrichtung des Kulturforums „Alte Post“. Wir müssen jetzt etwas wagen!

 

 

Das stimmt. Die Urteile der Experten sind eindeutig. Aber für die Menschen in Neuss hat diese Sammlung keine so große Bedeutung. Es handelt sich um eine sehr spezielle Kunstrichtung, um Hochkultur, die nur Experten und Kunstliebhaber anspricht, aber nicht die breite Masse der Bevölkerung.
Neusser werden sich diese Sammlung einmal ansehen und danach nicht mehr. Wichtiger wäre es, etwas für die kulturelle Bildung aller Neusser, vor allem der Kinder zu tun!

Eine dauerhafte Steigerung der Besucherzahlen lässt sich mit der „großen Lösung“ erreichen, wenn man wenigstens eine Fläche für Wechselausstellungen baut. Diese Pläne sind ja schon alt, sie liegen jedoch seit Jahren auf Eis, weil es an Geld fehlt. Sie werden nur jetzt wieder aus der Schublade geholt, weil der Stadt diese Sammlung angeboten wurde.

 

Nach den bisherigen Erkenntnissen gibt es aber noch viele Unsicherheiten bei Bauplanung und Kostenschätzung: Die Denkmalschutzbehörden haben Bedenken angemeldet. Und das städtische Gebäudemanagement hält 30-40 Prozent Mehrkosten für möglich.

Außerdem kostet ja nicht nur der Anbau Geld, sondern auch ein erweitertes Angebot: Wechselausstellungen etwa müssen für Geld eingekauft werden und brauchen auch Personal, das diese organisiert.

Die Stadt Neuss hat schon jetzt jedes Jahr ein Defizit in einer Größenordnung von 10 bis 20 Millionen Euro. Da ist Sparen angesagt!

Rund eine Million zusätzlich pro Jahr, und das 50 Jahre lang – das ist auch ungerecht gegenüber nachfolgenden Generationen.

Und wenn man schon Geld ausgibt, dann gibt es doch wohl wichtigeres als ein Museum: zum Beispiel beitragsfreie Kitas oder besser ausgestatte Schulen.

Oder was ist mit den vielen Flüchtlingen, die zu uns kommen? Deren Unterbringung kostet auch Geld.

 

Offensichtlich haben auch andere Museen Interesse an der Sammlung. Sollen die sie doch nehmen, die Stadt Neuss muss es jedenfalls nicht.

 

Egal wie wertvoll die Sammlung ist oder wie groß die Chancen für Neuss sind – das Geld dafür ist nicht da. Und niemand kann Geld ausgeben, das er nicht hat!

Falls die Tabelle nicht richtig dargestellt wird, steht sie auch im pdf-Format zur Verfügung.

Die Sitzungsunterlagen mit ausführlichen Informationen, Berechnungen und beispielhaften Darstellungen von Exponaten stehen im Internet öffentlich zur Verfügung: http://bit.ly/1IUAohA

 

6 Gedanken zu „Museumserweiterung: JA oder NEIN?“

  1. Lieber Thomas, ich bin dir dankbar, dass du die Argumente so gut nebeneinander stellst. Für mich kann sich daraus allerdings nur klar ergeben, dass die Stadt die Sammlung annehmen sollten und sich für die große Lösung entscheiden sollte . Ein solches Angebot bekommt eine Stadt wie Neuss nicht noch ein zweites Mal und die Vorteile überwiegen für mich klar die Nachteilen. Herzliche Grüße, Michael

  2. Wir brauchen keine Erweiterung das ist Überflüssig wer geht dahin es ist eine Verschwendung der Steuergelder. Die Schulen sollten besser Umgebaut werden oder Saniert werden .

  3. Das ist sicherlich ein grosszuegiges Angebot und waere sicherlich auch eine Bereicherung, aber … wenn die Risiken mit der Schenkung nicht abzusehen sind und in der Stadt andere, dringendere Aufgaben anstehen, fuer die kein Geld da ist (Schulen etc.) dann muss man eben verzichten oder nach Alternativen suchen. Ich denke z.B. an eine Finanzierung wie beim Berliner Schloss. Es boete sich an, die Buerger darueber entscheiden zu lassen, denn letztendlich muessen sie dafuer bezahlen.

  4. Die Sammlung bietet bestimmt viele Chancen für die Stadt Neuss. Angesichts der Kosten die durch den Bau entstehen würden schlage ich vor, die Wirtschaft mit ins Boot zu nehmen. Bei äusserst klammen öffentlichen Kassen ist das wirtschaftliche Risiko sonst zu gross.

  5. Es gibt sicherlich viele kulturelle Veranstaltungen und Kulturelle Bildungsmöglichkeiten die mit dem Geld besser und angepasster gefördert werden können, dadurch sind die Verfügungbaren Gelder zeitangepasster zu verteilen. Mit der Schenkung wird die Summe des nicht vorhandenes Geld drastisch erhöht und die armen Banken kassieren weiter unser aller Steuergeld auf unabsehbare lange Zeit. (Zinsen/Zinseszinsen duch Hypoteken)
    Bei der Aufzählung der Kosten steht z.B. für Modell A: 11,6 Mio € …
    Im Text “ Dagegen ist ein Betrag von maximal 1,5 Millionen für den Museumsanbau“
    Wie erklärt sich hier die Differenz??

  6. @ Klaus Stahl: Danke für die Nachfrage. 11-20 Millionen ist die Investitionssumme, die ein Erweiterungsbau kostet. 1,5 Millionen sind die jährlichen Folgekosten („Abstottern“ der Investition zzgl. laufender Betrieb).

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