Quo vadis, Volkspartei CDU?

cdu-buchstabenGibt es in Deutschland noch Volksparteien? Ist die CDU noch eine Volkspartei? Ist sie vielleicht sogar die einzige verbliebene Volkspartei? Über den Status der CDU als Volkspartei wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert, wenn nicht sogar gestritten. Der stellvertretende JU-Kreisvorsitzende Thomas Kaumanns wagt eine Analyse und zeigt Wege auf, den Status der CDU als Volkspartei zu stärken.

Der Begriff „Volkspartei“
Als Volkspartei bezeichnet man eine Partei, die für Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten und mit unterschiedlichen Weltanschauungen prinzipiell offen und wählbar ist. Hinzu kommt der Anspruch an sich selbst, bei Wahlen dauerhaft Ergebnisse um die 40 Prozent zu erzielen. Der typische Gegensatz zur Volkspartei ist die Klassen-, Interessen- oder Programmpartei, die darauf angelegt ist, nur eine bestimmte und wesentlich kleinere Gruppe der Bevölkerung anzusprechen.

Das „Volk“ im Wandel
In der Nachkriegszeit haben sich CDU/CSU und SPD als Volksparteien etabliert. Das lag zum Einen an ihrer programmatischen Ausrichtung, denn die CDU war – anders als noch das katholische Zentrum – Menschen aller christlichen Konfessionen und auch Nichtchristen offen und die SPD rückte mit dem Godesberger Programm vom Status als reine Arbeiterpartei ab. Zum Anderen lag dies aber auch an der Gesellschaftsstruktur der jungen Bundesrepublik: Es gab im Wesentlichen zwei Milieus, auf der einen Seite das bürgerliche, konservative und oft stark an die (katholische) Kirche gebundene Milieu, auf der anderen Seite das stark von der Arbeiterschaft geprägte und SPD-nahe „linke Lager“. Randgruppen und Abspaltungen entwickelten sich zwar, blieben aber in Kontakt zu den großen Strömungen. Unter diesen Voraussetzungen gelang es CDU/CSU und SPD meistens, Wahlergebnisse von annähernd 40 Prozent zu erzielen und dann – je nach Situation – gemeinsam mit einem „kleinen“ Koalitionspartner die Regierung zu bilden.
Ein Blick auf die Wahlergebnisse der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass dies vorbei ist. Wahlergebnisse jenseits der 40 Prozent werden seltener, für die Regierungsmehrheit sind mitunter große Koalitionen oder sogar Dreierbündnisse erforderlich. Vormals kleine Parteien können höhere Wahlergebnisse erzielen, mancherorts sogar bessere als die alten großen Parteien – das wird vor allem beim Blick auf die Auswertung der Jungwählerstimmen deutlich. Wir sind in einem Fünf-Parteien-System angekommen, vom dem der Historiker Paul Nolte behauptet, es stelle nicht das Ende der Volksparteien dar, sondern ihre Vermehrung. Würde man nur die prinzipielle Offenheit und Wählbarkeit der Parteien betrachten, könnte man dem vielleicht sogar zustimmen. Längst wählen beispielsweise auch Katholiken die Grünen oder Arbeiter die CDU.
Aber da ist ja noch die „40 Prozent-Hürde“. Diese wird nur noch von der CDU und in Ausnahmefällen von der SPD „übersprungen“. Aber auch das geschieht immer weniger, weil die Bindungskraft der überkommenen Milieus stark abgenommen hat. Die Milieustudie des Sinus-Instituts teilt die deutsche Bevölkerung in 10 Milieus ein – von den Traditionalisten bis hin zu den Hedonisten, von den Konservativen über die DDR-Nostalgischen bis hin zu den modernen Performern oder Experimentalisten. Mit der Differenziertheit der Milieus wächst auch die Mannigfaltigkeit der politischen Ansichten. Das kann auf die Dauer zur Angleichung der Wahlergebnisse der einzelnen Parteien führen.

Die CDU im Wandel?!
Eine Partei, die unter geänderten Rahmenbedingungen Volkspartei bleiben möchte, kann dies nur, wenn sie sich auf die Gesellschaft einstellt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier einige Gedanken zur CDU niedergeschrieben:
1.) Inhaltliche Profiliertheit
Die CDU muss profilierter auftreten. Die einzelnen Flügel der CDU sind bisweilen nur wenig erkennbar. Es ist aber nötig, die inhaltlichen Wurzeln – das Soziale, das Liberale und das Konservative – deutlich nach außen zu kehren. Nicht als „Mischmasch“, von dem niemand mehr erkennen kann, worum es geht; sondern jede der drei Wurzeln einzeln und für sich. Nur so lassen sich weite Teile der Bevölkerung mit differenzierten Ansichten erfolgreich ansprechen.
2.) Kommunikative Breite
Die CDU muss die Wählerinnen und Wähler auf neuen, breiteren Wegen ansprechen. Die gedruckte Tageszeitung, der Frühschoppen nach dem Sonntagsgottesdienst oder der Plausch nach dem Fußballtraining sind gut und wichtig, werden aber in Zukunft kaum ausreichen, um politische Positionen zu kommunizieren. Das Internet bietet hier zahlreiche Möglichkeiten, um Menschen persönlich, direkt und zielgenau anzusprechen. Das „social web“ eröffnet hier sogar ganz neue Chancen. Auch dem ungefilterten Kontakt zwischen Politikern und Bürgern muss in Zukunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dass der Bürger hierbei als Dialogpartner auf Augenhöhe behandelt werden muss, sollte selbstverständlich sein.
3.) Organisatorische Offenheit
Die CDU muss jedermann die Möglichkeit bieten, sich mit seinen Ideen und Vorstellungen in die Arbeit einzubringen. Bisher ist die politische Teilhabe zu sehr an den Erwerb der Parteimitgliedschaft und an die übliche „Ochsentour“ geknüpft. Themen- oder projektbezogene Arbeitskreise oder Netzwerke (wie bspw. jetzt schon der gesundheitspolitische Arbeitskreis oder das deutsch-türkische Forum) können Bürger zur Mitarbeit motivieren, ebenso die Aufarbeitung stadtteilbezogener Themen gemeinsam mit den Bürgern. Probe- oder Internetmitgliedschaften senken die Hemmschwelle, sich in einer Partei zu engagieren.

Beitrag für das Mitgliedermagazin der Jungen Union Rhein-Kreis Neuss „Streiflichter“, Ausgabe 1/2010

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