Die Datenautobahn wird ausgebaut

„Der Anschluss ans Internet ist heutzutage wesentlich wichtiger als der Anschluss ans Strom-, Telefon- oder Fernsehnetz, von größerer Bedeutung als PKW, öffentlicher Nahverkehr oder Waschmaschine. Aus meiner Sicht hat er eine Bedeutung, die derjenigen des Zugangs zu Wasser und Grundnahrungsmitteln sehr nahekommt.“

Man mag darüber streiten, ob diese Einordnung, die der heutige Kanzleramtsminister Peter Altmaier bereits vor einigen Jahren vorgenommen hat, zutreffend ist. Es ist aber unbestreitbar, dass der Zugang zum Internet heute ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil unserer Infrastruktur ist. Die Lebensqualität einer Stadt für heutige und künftige Einwohner hängt ebenso davon ab wie die Attraktivität für Unternehmen. Home-Office, TV-Angebote oder E-Health-Anwendungen machen breitbandige Internetanschlüsse ebenso erforderlich wie Industrie 4.0 oder globale Industriesteuerungssysteme.

Deutschland ist Breitband-Niemandsland

Deutschland, immerhin eine der wirtschaftsstärksten Nationen der Welt, ist beim Ausbau des schnellen Internets Niemandsland, bestenfalls noch Entwicklungsland. Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Internetanschlüsse lag 2014 bei 8,8 MBit/s. Damit belegt die Bundesrepublik in einem internationalen Vergleich Rang 29. Vorne liegt Südkorea mit dem Wert von 22,2 MBit/s. Auch beim Anteil der Glasfaseranschlüsse liegt Deutschland weit hinter einem Spitzenreiter aus Asien zurück: Während hier nur 1,1 Prozent der Anschlüsse auf dieser Zukunftstechnologie basieren, sind es in Japan bereits 71,5 Prozent.

Ein wesentlicher Grund dafür ist das Grundgesetz, welches den Netzausbau der privaten Wirtschaft zuweist (Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes). Weil die Kosten des Breitbandausbaus hoch sind, kommen oftmals nur die dicht besiedelten Ballungsräume in den Genuss schneller Internetanschlüsse. Andere Regionen, insbesondere der ländliche Raum, haben das Nachsehen, weil der Breitbandausbau dort nur selten profitabel möglich ist. Die Bundesregierung hat dies erkannt und sich in ihrer „Digitalen Agenda“ auf die Fahne geschrieben, das zu ändern.

Breitbandausbau ist kommunale Daseinsvorsorge

Will eine Stadt als Wirtschaftsstandort und als Wohnort attraktiv bleiben, so kommt sie nicht daran vorbei, den Breitbandausbau als kommunales Anliegen zu begreifen. Im Herbst des vergangenen Jahres hat der Rat der Stadt Neuss deshalb auf Initiative der CDU-Fraktion beschlossen, den Netzausbau vor Ort in die Hand zu nehmen. Als Ziele des Breitbandausbaus wurden dabei eine flächendeckende Verfügbarkeit von breitbandigen Internetanschlüssen mit einer Geschwindigkeit (Downstream) von 16 MBit/s bis zum Jahr 2016, 50 MBit/s bis zum Jahr 2018, und 100 MBit/s (Glasfaser, FTTH) bis zum Jahr 2024 definiert. Zur Umsetzung dieser Ziele soll die Stadtverwaltung einen „Masterplan Breitbandausbau“ erarbeiten. Dieser soll – basierend auf einer Bestandsaufnahme – technische, infrastrukturelle, strategische, wirtschaftliche und rechtliche Fragen ganzheitlich klären. Weil für ein Projekt dieser Größenordnung externes Fachwissen erforderlich ist, hat das Amt für Wirtschaftsförderung im Frühjahr dieses Jahres ein Beratungsunternehmen beauftragt, den Breitbandausbau in Neuss zu begleiten.

Zunächst wird das Augenmerk auf die sogenannten „weißen Flecken“ gerichtet, die schwach versorgten Stadtteile. Dazu gehören vor allem Uedesheim, Grefrath und Holzheim. Sie sollen vorrangig ausgebaut werden. In einem ersten Schritt wird eine umfangreiche Bestandsaufnahme durchgeführt. Eine Zusammenstellung der aktuellen Breitbandversorgung sowie eine die Sammlung und Bündelung aller relevanten Infrastrukturdaten sollen die Grundlage für eine spätere Strategie bilden. Parallel dazu hat die Stadt Neuss ein nicht-förmliches Markterkundungsverfahren bei angestoßen. Darin soll ermittelt werden, ob Netzbetreiber in naher Zukunft konkrete Ausbaumaßnahmen planen bzw. ob sie in der Lage sind, den Breitbandausbau ohne öffentliche Zuschüsse zu stemmen. Die Ergebnisse fließen in die Bestandsaufnahme ein. Mit ersten Ergebnissen wird noch im Herbst dieses Jahres gerechnet.

Auch der Rhein-Kreis Neuss hat auf Initiative von CDU und FDP den Breitbandausbau auf die politische Agenda gesetzt. Er nimmt dabei in erster Linie eine koordinierende und fördernde Funktion ein. Dazu wurde bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft ein „Breitbandverantwortlicher“ installiert.

Die politischen Beschlüsse in Stadt und Kreis sind ein erster wichtiger Schritt zum Ausbau der Datenautobahn und damit zu einer zukunftsfähigen Infrastruktur. Denn die muss im 21. Jahrhundert nicht mehr nur auf 40-Tonner ausgelegt sein, sondern auch auf 40-Gigabyte-Dateien.

Breitbandiges Internet

nennt man einen Internetzugang mit hoher Datenübertragungsrate. Diese wird in Megabit pro Sekunde (MBit/s) gemessen. Das Gesetz sieht eine Grundversorgung mit einer Geschwindigkeit 1 MBit/s vor, hinkt allerdings der technischen Wirklichkeit hinterher.

Glasfaser

gilt als die Technologie der Zukunft und wird auf Dauer wohl den Datenaustausch über das Telefonnetz mit Kupferkabeln ablösen. Die direkte Anbindung von Haushalten (fiber to the home, FTTH) ermöglicht extrem hohe Datenraten (1.000 MBit/s und mehr) über große Entfernungen.

Beitrag im Magazin „Wirtschaft – MITten aus Neuss“ 1/2015; Bild: Rainer Sturm/pixelio.de

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