Die Schützenuniform macht alle gleich, den Schüler und den Vorstandschef, den Handwerker und den Professor, den Arbeitslosen und den Millionär. Und doch gibt es Unterschiede in der Art, die Festtage zu feiern. Thomas Kaumanns, Mitglied des Schützenlustzuges Kreuzritter 96, versucht sich an einer – nicht unbedingt ganz ernst gemeinten – Typologie:
Der Netzwerker
Der Schütze vom Typus Netzwerker kennt sprichwörtlich Gott und die Welt. Die Uniform ist seine Eintrittskarte in ein gesellschaftliches Netzwerk, das er auch zu nutzen weiß. Pausenlos ist er unterwegs, um andere zu treffen: Hier mal etwas absprechen, dort mal etwas organisieren, hier mal alte Mitschüler treffen, dort mal mit Kollegen ein Bier trinken. Die eigenen Zugkameraden sehen den Netzwerker eher selten. Es soll schon vorgekommen sein, dass sie für ihn eine Vermisstenanzeige aufgegeben haben.
Der stille Genießer
Ganz anders als der Netzwerker feiert der stille Genießer. Für ihn sind die Schützenfesttage eine willkommene Auszeit vom (stressigen) Berufsleben, fast wie ein Urlaub. Er genießt die entspannte Atmosphäre im Kreis seines Zuges, in dem er eher Mitläufer als Antreiber ist. Denn Verantwortung trägt er an den 360 Schützenfest-freien Tagen des Jahres. Der stille Genießer hört auf das Kommando seines Oberleutnants und lässt ansonsten den lieben Gott einen guten Mann sein.
Der Spießer
Für den Spießer – wohlwollend formuliert: den Korrekten – ist Schützenfest weniger ein Vergnügen, als vielmehr die Erfüllung all seiner heimlichen und unterdrückten Träume. Mit preußischer Disziplin absolviert er das Festprogramm, Pünktlichkeit und äußerst korrekte Uniform sind seine Markenzeichen. Damit läuft der Spießer allerdings Gefahr, den wenig beliebten Titel des „Zugschleimers“ zu erringen, das ist der Schütze mit den wenigsten Strafen.
Der Nachtschwärmer
„Auf geht’s, ab geht’s, fünf Tage wach“ ist das Motto beim Nachtschwärmer, der nicht selten der Gegenspieler des Spießers ist. Er feiert was das Zeug hält, macht die Nächte zum Tag und schließt regelmäßig frühmorgens das Festzelt und die Partylocations der Stadt mit ab. Äußeres Merkmal: Der Nachtschwärmer trägt auch bei trübem Wetter eine Sonnenbrille, um die Spuren der vergangenen Nacht zu verbergen.
Der Familienmensch
Für den Familienmensch ist das Schützenfest in erster Linie ein Fest der Familie und der Generationen. Ein Kirmesplatzbummel mit Frau und Kindern ist wichtiger als das Bier mit den Zugkameraden. Beim Feiern übt der Familienmensch häufig Zurückhaltung, er ist immer zeitig zuhause und lässt auch am Schützenfestsonntag das Familienfrühstück nicht ausfallen. Aber Obacht, wenn die Fassade bröckelt: Mancher Familienmensch soll schon von jetzt auf gleich zum Nachtschwärmer mutiert sein – aber natürlich immer nur bis zum nächsten Morgen.
Der Zampano
Beim Zampano ist das Schützenfest ein Schaulaufen, er genießt den großen Auftritt, die Straßen sind sein Laufsteg. Unzählige Blumen, Orden und Abzeichen schmücken ihn – man zeigt halt, was man hat. Nicht selten sammelt der Zampano daneben auch Ämter, schließlich versteht er sie als Auszeichnung seiner selbst. Erkennungsmerkmal: Der Zampano läuft immer leicht nach links geneigt, weil er dort seine gesamte Ordenssammlung an der Uniform trägt.
Egal ob Netzwerker, Nachtschwärmer oder Familienmensch – das Schöne an unserem Neusser Schützenfest ist, dass jeder so feiern kann, wie er möchte. In diesem Sinne: Schöne Kirmes!
Thomas Kaumanns, Gastbeitrag für den Stadt-Kurier, 23. August 2017