Der einzige Zug, der am Wochenende zieht: das Schützenglockenspiel am Münsterplatz

Das letzte Augustwochenende im Jahr 2020 wird eines ohne Schützen und Marschmusik, ohne Umzüge und Paraden. Und trotzdem wird ein Zug wie gewohnt ziehen. Ein Zug, den weder Wind und Wetter noch ein Virus aufhalten können: das Schützenglockenspiel am Münsterplatz.

Das ganze Jahr über, dreimal am Tag, auf die Sekunde genau mit dem Glockenschlag des Quirinus-Münsters, öffnen sich im Giebel des Vogthauses die Türen und das Schützenregiment tritt hervor. Begleitet von zwei Edelknaben nimmt der Schützenkönig seine Position ein und dann marschieren zu den Klängen traditioneller Schützenlieder Vertreter der einzelnen Korps an ihm vorbei. Zu dem Zug gehören 27 Figuren, zwei Pferde und eine Kanone.

Fast immer bleiben Passanten auf dem Münsterplatz stehen und schauen sich das Spektakel an. Besonders gerne erfreuen sich Kinder an der Vorstellung. Und das eine oder andere Neusser Kind soll mithilfe des Glockenspiels schon frühzeitig die korrekte Reihenfolge der Korps gelernt haben.

Die Geschichte

Das Schützenglockenspiel ist ein Geschenk der Stadt Neuss an den Neusser-Bürger-Schützenverein anlässlich seines 150jährigen Bestehens im Jahr 1973. In Betrieb genommen wurde es im Sommer 1975. Knapp 40 Jahre lang funktionierte es einwandfrei, doch der Zahn der Zeit hatte im Verborgenen an ihm genagt. Ende 2014 mussten die Neusser für gut ein Jahr auf das tägliche Schauspiel verzichten, denn die Konstruktion wurde von Grund auf saniert. Zahlreiche Bürger, Vereine und Unternehmen beteiligten sich an den Kosten in Höhe von rund 70.000 Euro. Im Frühjahr 2016 konnte das Glockenspiel wieder in Betrieb gehen – generalüberholt und mit moderner Technik.

Die Lieder

Die 24 Glocken spielen sieben Lieder: Zuerst „Tochter Zion“, das als Adventslied und aus dem Graf-Waldersee-Marsch bekannt ist. Es folgen das „Lied der Grenadiere“ und dann „Jäger-Annemarie“, das Karl Kreiner 1927 zu der Melodie eines Soldatenliedes gedichtet hat. Anschließend ertönt das „Lied der Scheibenschützen“ zur Melodie des Frankenliedes. Danach wird „Freut Euch des Lebens“ gespielt, gefolgt von „Mächtig vor des Landes Blicken“ (Text von Karl Schorn und Joseph Lange). Zum Abschluss erklingt das Neusser Heimatlied von Hubert Derrez. In der Adventszeit sind keine Neusser Lieder zu hören, sondern weihnachtliche Melodien.

Wer am Wochenende partout nicht auf Umzüge verzichten will, kann das Schützenglockenspiel täglich um 11, 15 und 17 Uhr erleben – aber bitte mit Abstand!

Gastbeitrag im Stadt-Kurier

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