„Es ist erst dann Schützenfest, wenn die Kapellen durch die Straßen ziehen“

„Und Musik erklinget wieder, Klarinett‘ und Flöt‘ und Bass …“ – So heißt es in einem Neusser Kirmeslied. Und was wäre Schützenfest ohne den Klang der Tambourcorps und Kapellen? Ohne Musik beim Marschieren, ohne Platzkonzerte? Ohne Instrumente, die in der Sonne glänzen? Auf jeden Fall kein richtiges Schützenfest!

Doch wenn die Kapellen zum Schützenfest aufmarschieren, ist das nur die sichtbare und hörbare Spitze eines Eisbergs. Gastautor Thomas Kaumanns, aktiv in der Schützenlust und Trompeter beim Musikverein Holzheim, erklärt, wieviel Arbeit und Einsatz darunter verborgen sind.

Im Sommer sind sie „auf der Straße“. Von Mai bis September, also zur Zeit der Schützenfeste, sind Blaskapellen fast jedes Wochenende unterwegs. Schützenfeste (manche Vereine absolvieren 15 oder noch mehr), Ehrenabende, Frühschoppen, Patronatsfeste, Fronleichnam, Geburtstagsständchen. Hinzu kommen Auftritte für den guten Zweck.

Im „Kirmesgeschäft“ schreiben Verträge vor, wo und mit welcher Stärke Kapellen verpflichtet sind. Interne Einsatzpläne regeln, wer zum Auftritt kommen muss, und zwar verbindlich. Denn wenn plötzlich die Trompete oder die Trommel fehlt, ist der Sound einer Blaskapelle unvollständig. So wird aus dem Hobby zugleich ein Geschäft – und das erklärt auch, warum die Klangkörper für ihre Dienste bezahlt werden.

Hinzu kommt: Die Ausstattung, die ein Musiker braucht, kostet einen dicken Batzen Geld. Günstige Trompeten etwa gibt es ab 500 Euro, gute Exemplare liegen bei 2.000 bis 3.000 Euro. Die Tuba, das größte der Blasinstrumente, ist deutlich teurer, kann 10.000 Euro und mehr kosten. Für eine Klarinette fallen 1.000 bis 2.000 Euro an. Zu den Anschaffungskosten kommen regelmäßige Wartung und Reparatur hinzu. Für die komplette Uniform muss ein Musiker rund 700 Euro auf den Tisch legen. Jede Fahrt zu den Einsätzen kostet Geld; und eventuell müssen Verdienstausfall oder Urlaub für Einsätze an Wochentagen einkalkuliert werden.

Das ist noch nicht alles. Viele Vereine bezahlen eine musikalische Leitung, meistens studierte Musiker, die das Orchester leiten und formen. Die Räume für Proben oder Notenlagerung kosten Miete. Workshops oder Probenwochenenden verschlingen Geld, ebenso natürlich Ausflüge in der Freizeit. Viele Vereine investieren zudem in die musikalische Ausbildung und Förderung der Jugend. Das ist auch dringend nötig, denn leider entscheiden sich immer weniger junge Menschen dafür, ein Blasinstrument zu lernen.

Obendrein ist Musik ist auch ein zeitaufwändiges Hobby. Einmal pro Woche treffen die Klangkörper sich zur Probe. Dort werden neue Stücke erarbeitet oder das bestehende Repertoire verfeinert. Hinzu kommt das selbstständige Üben zuhause – mitunter täglich. Denn Blasmusik ist wie Sport: Lippenmuskulatur und Atmung müssen trainiert werden, damit sie fit bleiben.

Übrigens: Die meisten Kapellen proben das ganze Jahr über, sind also keine reinen „Kirmeskapellen“. Die Saison auf der Straße ist nur die eine Seite ihres musikalischen Wirkens. Die andere: In der kalten Jahreszeit widmen die Musikerinnen und Musiker sich der sogenannten sinfonischen Blasmusik. Das sind zum Beispiel Melodien aus Filmen und Musicals, Arrangements klassischer Musik oder Pop-Songs. Die Ergebnisse der Probenarbeit kann man in öffentlichen Konzerten, meistens im Frühjahr, bestaunen.

Es wird deutlich: Musik ist ein aufwändiges Hobby, aber ein sehr vielseitiges und schönes. Wer sich darauf einlässt, kann in die unendliche Welt der Töne und Klänge eintauchen. Und er wird Teil einer Gemeinschaft, die auch gerne miteinander feiert. Denn natürlich geht es nach dem Schützenumzug noch gemeinsam ins Zelt. Und natürlich stehen im Jahresprogramm eines Musikvereins nicht nur Auftritte und Proben, sondern auch Feste und Ausflüge.

(Blas)Musik ist ein Hobby, das Freude macht und anderen Freude bringt. Denn für viele ist erst und genau dann Schützenfest, wenn die Kapellen mit Pauken und Trompeten durch die Straßen ziehen.

Gastbeitrag im Stadt Kurier, 17. August 2024
Bildnachweis: Musikverein Holzheim 2023

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